DFG-Netzwerk:
Dynamiken interkultureller Begegnungen

Projekte

Katharina Bauer: (Sowjet)russisch-europäische Begegnungen im 20. Jahrhundert und ihre textuellen (Re)Konstruktionen
Literarische Zeugnisse kultureller Begegnungen, wie etwa Reiseberichte oder -reportagen, sind im europäischen Raum stark durch Gattungskonventionen, Topoi und (national)spezifische kulturhistorische Kontexte beeinflusst. Bei der Analyse von (Re)Inszenierungen des gewollten - oder im Falle von Emigration und Exil - ungewollten Aufenthalts außerhalb des heimatlichen Territoriums ist deshalb stets die Funktion des Textes im Auge zu behalten, in dem eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von 'Eigenem und Fremdem' stattfindet: handelt es sich z.B. um private Dokumente (Tagebuch, Brief), journalistische Texte, die an eine Massenleserschaft gerichtet sind oder die Einbettung in einen literarischen Rahmen mit seinen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Von besonderem Interesse sind im Rahmen des Projekts solche Konstellationen, in denen über einen längeren Zeitraum und unter verschiedenen Umständen (z.B. Reise, Emigration, Dienstreise) Begegnungen beschrieben werden, um sie hinsichtlich ihrer angewandten Strategien und Funktionen vergleichend zu untersuchen.
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Fabian Fechner: Apokalyptik als Bedrohungskommunikation: Prophetische Bewegungen im kolonialen Peru (16. Jh.)
Am Beispiel des spanischen Dominikaners Francisco de la Cruz, der in den 1570er Jahren mittels der Visionen der Kreolin María Pizarro das Bild einer apokalyptischen Kirche in Peru entwarf, sollen die Rolle der Emotionen bei der transkulturellen Vermittlung der Prophetie und die Generierung neuer Wissensbestände untersucht werden. Dadurch soll gezeigt werden, dass spezifische Momente in der Bedrohungskommunikation, und nicht etwa Säkularisierungs- und Rationalisierungsprozesse, in einem dialektischen Prozess die prophetisch-apokalyptische Ordnungskonzeption selbst aufhoben. Dabei wird eine konsequente Historisierung des Phänomens „apokalyptische Prophetie“ für die Frühe Neuzeit im Rahmen einer vergleichenden Ordensgeschichte angestrebt.
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Dr. Anke Fischer-Kattner: „Gebote der Not? Gewalt, Macht und Verhandlung in Belagerungen des 17. Jahrhunderts“
In militärischen Konflikten des 17. Jahrhunderts spielten Belagerungen eine entscheidende strategische Rolle. In meinem Forschungsprojekt untersuche ich den Umgang frühneuzeitlicher Gesellschaften mit dem ‚Ausnahmezustand‘ der Belagerung. Unter Rückgriff auf Fallbeispiele aus dem niederländischen Unabhängigkeitskrieg (1568-1648), dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) sowie den Habsburgisch-Osmanischen Konflikten werden praktisches Handeln und Theoriebildung beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie die Notsituation Macht und Autorität zugleich stärkte und schwächte, wie darin Abgrenzungen gezogen und zugleich unterminiert wurden. Zugriff auf eine häufig ‚kulturell‘ gedeutete Konfrontation bietet speziell die osmanische Belagerung Wiens 1683. Angesichts der kulturellen Vielfalt der frühneuzeitlichen ‚Militärgesellschaft‘ eröffnet das Projekt jedoch generell eine neue Perspektive auf die Konstruktion von Identitäten und Alteritäten, auf Ordnungsversuche in einer äußerst bedrohlichen Lage.
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Dr. Marie-Luisa Frick: „Begegnungen verschiedener (Menschen-)Rechtskulturen im Rahmen supranationaler Instituitionen“
Menschenrechte statuieren Mindeststandards, die unterschiedslos allen Menschen von staatlicher Seite zu garantieren sind. Welche Ansprüche konkret darunter fallen, worin sie gründen bzw. womit sie sich rechtfertigen lassen, erweist sich im Kontext unterschiedlicher Rechtskulturen und Moralsysteme als strittig. Dissens über menschenrechtliche Normen und ihren Stellenwert ist besonders dann von Bedeutung, wenn im Rahmen überstaatlicher Institutionen in demokratischen Verfahren mehr oder weniger verbindliche Standards gesetzt werden (sollen). Dann werden mit der Notwendigkeit des Dialoges zugleich seine Grenzen sichtbar. Die Dynamiken solcher Begegnungen lassen sich bis zur „Geburtsstunde der modernen Menschenrechte“, der Universalen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948, zurückverfolgen. Anhand von Protokollen über die Aushandlungsprozesse dieser Menschenrechtserklärung sollen Prozesse des Verstehens/Nichtverstehens und Nichtverstehen-Könnens konkret nachvollzogen und ihre Bedeutung für die Universalität der Menschenrechte untersucht werden.
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Evelyn Gottschlich: „Das Königreich im Schneeland. Wissen über Tibet, 1620-1770“
Die ersten Missionare erreichten 1624 das tibetische Hochland. Sie und ihre Nachfolger bis 1745 brachten Kunde von diesem bisher unbekannten Gebiet in Form von Briefen, Missionsberichten und Interviews nach Europa. Ihre Geschichten wurden weiterverarbeitet in Sammlungen, Enzyklopädien, Länderkunden und Karten. Den Spuren in publizierten Werken folgend ergibt sich ein vielfältig verflochtenes Bild davon, in welcher Form das Wissen dargestellt, verarbeitet und wiedergegeben wurde. Wie veränderte sich das Weltbild Europas durch diesen Kontakt? Wie wurden die „fremden“ Informationen in das Eigene aufgenommen? Diesen und anderen Fragen wird im Laufe der Analyse, wie sich dieses Wissen über eine fremde Kultur in Europa wuchs, nachgegangen.
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Andreas Köller: „Materialisierungen interkultureller Begegnungen im Kontext der Church of South India“
Das Projekt von Andreas Köller beschäftigt sich mit den vielgestaltigen interkulturellen Begegnungen im Kontext der Church of South India. Die Church of South India ist eine protestantische Unionskirche, die 1947 durch einen Zusammenschluss von früheren Missionskirchen gebildet worden ist. Sie ist über die protestantische Missionsorganisation, die sie gegründet haben, mit verschiedenen westlichen Ländern und mit verschiedenen Denominationen verknüpft. Ihre Gestalt stellt einen Versuch dar, sowohl zwischen den unterschiedlichen denominationellen Kulturen der Kirchen als auch zwischen der – oftmals als westlich wahrgenommenen – christlichen Religion und der indischen Kultur zu vermitteln. Das Projekt untersucht materielle Manifestationen dieser interkulturellen Begegnungssituationen, vor allem das äußere Erscheinungsbild der Geistlichen in der CSI.
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Dr. Menja Holtz: „Indianische Biographie aus Herrnhuter Quellen – Die Herrnhuter Mission in Fairfield, Ontario 1792-1902“
Die Konstruktion von Delaware Biographien aus den Missionsdokumenten erlaubt ein tieferes Verständnis der Ziele und Motive von „Native (North) Americans“ im 18. und 19.Jahrhundert. Indianische Biografie erscheint in verschiedenen Formen: hauptsächlich als ethnographisches Material, aber auch als Subtexte in Kriegserzählungen oder Lebensgeschichten der weißen Amerikaner, und in Missionstagebüchern. Es gibt aber auch Autobiographien von Indianern, die (meist) zum Christentum konvertiert waren oder „as-told-to“-Autobiographien. Erst in jüngerer Zeit sind indianische (Auto)Biographien als identitätsstiftend für ein tribales oder pan-indianisches Bewusstsein zu bewerten. Demgegenüber strebe ich in meinem Projekt eine Darstellung der Delaware-Leben an, welche den Handlungsspielraum der Akteure in den Vordergrund stellt. Die weitere Entwicklung der Gemeine in New Fairfield nach der Übergabe der Mission an die Methodisten möchte ich an die Biographien der Konvertiten, auch in der Erinnerung ihrer Nachfahren, mit der Geschichte Fairfields als interkultureller Siedlung mit einer kritischen Forschung zu den Herrnhuter Quellen verknüpfen.
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Sabine Hübner: „Protestantische Missionare im Indien des 18. Jahrhunderts im Kontakt mit dem Anderen“
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts machten sich erstmalig protestantische Missionare der Dänisch-Englisch-Halleschen Mission auf den Weg, um in der südindischen Küstenregion unter der tamilischen Bevölkerung Gemeindeaufbau zu betreiben. Um ihrem Missionsauftrag entsprechend Menschen für den christlichen Glauben gewinnen zu können, setzten sie sich intensiv mit der indischen Lebenswelt und den vielfältigen Traditionen der Region auseinander. Das Projekt untersucht, welchen Einfluss die Kontakte mit der religiös, sozial und kulturell heterogenen Bevölkerung Südindiens auf die religiösen Überzeugungen der Missionare hatten. Am Beispiel von Auseinandersetzungen um die angemessene „Frömmigkeit“ von Gemeindegliedern soll herausgearbeitet werden, wie Anpassungen der praktischen Arbeit an die neuen Bedingungen in Indien und die Erfahrungen von Rückschlägen zur Reflexion des eigenen missionarischen Anspruchs führte.
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Grażyna Jurewicz: „Zwischen Aufklärung, Alterität und Judentum: Moses Mendelssohns Denken als ein interkulturelles Phänomen“
Das ideengeschichtlich angelegte Projekt hat ein Denken zum Gegenstand, das als Ergebnis von Interferenzen in einem kulturellen Zwischenraum begriffen werden kann. Moses Mendelssohn (1729–1786), ein Berliner Jude und ein preußischer Gelehrter, formulierte aus einer Minderheitenperspektive eine Philosophie, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem universalen Verständnis der menschlichen Natur und den partikularen Ansprüchen der Einzelnen ergab. Unter Rückgriff auf die jüdische Geistestradition auf der einen und die Philosophie der deutschen Aufklärung auf der anderen Seite war Mendelssohn darum bemüht, das Partikulare bei der gleichzeitigen Betonung der Gleichheit aller Menschen stark zu machen. Seine Philosophie stellt damit einen Versuch dar, Begegnungen zwischen den Kulturen vermittels der Kategorie der Differenz zu bestimmen. Es liegt nahe, dem interkulturellen Charakter dieses Denkens nicht nur in Mendelssohns philosophischen Schriften, sondern auch in seinen Übersetzungsarbeiten nachzuspüren. In dem Projekt soll daher als ein besonders geeignetes Beispiel die von ihm angefertigte Bibelübertragung thematisiert werden.
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Martina Kopf M.A.: „Alpinisten - Andinisten: Montane Erfahrungen in Schweizer und peruanischer Literatur des 20. Jahrhunderts.“
Das komparatistisch angelegte Projekt untersucht die Darstellung der Alpen und der Anden sowie Formen der Bewegung im Gebirgsraum anhand ausgewählter Schweizer und peruanischer Literatur des 20. Jahrhunderts (Hohl, Frisch, Ramuz, Arguedas, Alegría, Vargas Llosa). Als Alpinisten und Andinisten erweisen sich nicht nur Protagonisten, die Berge besteigen, sondern auch Autoren, die als literarische Alpinisten und Andinisten mit dem Montanen experimentieren, Höhe und Tiefe zum dichterischen Topos machen sowie Berg und Steigung verwenden, um ihre Visionen zu verbildlichen. Den Trugschluss, die Anden als Alpen wahrzunehmen, möchte das Dissertationsprojekt vermeiden und stellt sich deswegen bewusst die Frage nach kulturhistorischen Differenzen, ohne dabei literarische Gemeinsamkeiten zu negieren.
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Dr. Esther Möller: „Die Rotkreuz-und Rothalbmondbewegung als kulturelle Kontaktzone“
Das Projekt beschäftigt sich mit der Geschichte der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung insbesondere in der arabischen Welt. Am Beispiel der Dachorganisation und ihrer unterschiedlichen nationalen Gesellschaften wird nach kulturellen und religiösen Unterschieden und Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen von Wohltätigkeit gefragt. Außerdem stehen die Fragen von Kooperation und Konflikt europäischer und arabischer humanitärer Akteure im Zentrum der Analyse, um so, ausgehend von Archivmaterial in Genf, London und Kairo, kritisch der Frage nachzugehen, ob angesichts von Krisensituationen kulturelle Differenzen überwunden oder im Gegenteil verstärkt werden.
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Dr. Eva Spies: „Religionskontakt in der Süd-Süd Mission: Afrikanische Pfingstkirchen auf Madagaskar“
Religiöses Leben auf Madagaskar ist durch das Mit-, Neben- und Gegeneinander unterschiedlicher religiöser Traditionen gekennzeichnet. Mit den Missionaren pfingstlicher Kirchen vom afrikanischen Kontinent sind seit einigen Jahren neue Akteure hinzugekommen. Das Projekt befasst sich mit den Formen dieser Süd-Süd Mission und mit der Frage, wie die religiösen Traditionen Madagaskars heute durch christliche und nicht-christliche Akteure zueinander ins Verhältnis gesetzt werden: Welche Modi der Relationalität lasen sich erkennen (Anpassung, Kooperation, Konflikt oder Inkommensurabilität) und was bedeutet dies für das alltägliche Leben, für rituelle Praktiken und Formen der religiösen Wissensproduktion?
(Vgl. Spies 2013: Coping with Religious Diversity: Incommensurability and other Perspectives. In: Janice Boddy und Michael Lambek (Hg.): A Companion to the Anthropology of Religion. Wiley- Blackwell, 118-136.)
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Dr. Maike Schmidt: „Kulturelles Nicht-Verstehen in der Reiseliteratur als analytische Herausforderung“
Ziel des Forschungsprojekts ist es, einen neuen theoretischen Zugang aus dem Bereich der Negativen Hermeneutik für die Erforschung von Kulturkontakten fruchtbar machen: Akteure kultureller Begegnungssituationen thematisieren ebenso wie die Wissenschaftler bei der Analyse der Kulturkontakte Formen des Nicht-Verstehens, Unwissens oder der Unsagbarkeit im Sinne eines interpretatorischen Problems, das es zu überwinden gilt. Dieser Einschätzung gegenüber soll hier die Normalität des Nicht-Verstehens in den Vordergrund gestellt und als produktiv verstanden werden. Am Beispiel von deutschsprachigen Reiseberichten unterschiedlicher Kontexte gilt es, diesen theoretischen Ansatz einem Praxistest zu unterziehen.
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Dr. Katharina Stornig: „Das ‚ferne Kind‘: Religiöses Engagement und die Globalisierung von Familie, 1840-1930“
Organisiertes Helfen und die Bereitschaft, Opfer für das Wohlergehen Anderer zu bringen, waren in der Praxis stets auf konkrete Personengruppen ausgerichtet. Das von Katharina Stornig bearbeitete Forschungsprojekt basiert auf der Beobachtung, dass christliche Vereine in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt erfolgreich versuchten, eine besondere Solidarität ihrer Unterstützer mit »fernen Kindern« in Asien und Afrika herzustellen. Das Projekt verfolgt einen akteurszentrierten Ansatz und analysiert die Bedingungen, Praktiken und Rückwirkungen des christlichen Engagements für »ferne Kinder« am Beispiel dreier Organisationen unterschiedlicher Konfession (Werk der Heiligen Kindheit, Norddeutsche Mission und St.-Petrus-Claver Sodalität) im Deutschland des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
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